Aus dem Arbeitsrecht

Kein Anspruch auf Entgeltfortzahlung nach Tattoo-Komplikation

Bei medizinisch notwendigen Eingriffen ist klar geregelt: Arbeitnehmende erhalten für maximal sechs Wochen weiterhin Entgelt. Doch wie sieht es bei Arbeitsausfällen in Folge von freiwilligen Eingriffen aus, bspw. wenn sich eine Tätowierung entzündet? Wir erläutern Ihnen die aktuelle Rechtslage.

Foto: KI-generiert

Abseits medizinisch notwendiger Eingriffe häufen sich Fälle, in denen freiwillige Behandlungen, wie bspw. Tätowierungen, zu gesundheitlichen Komplikationen und Arbeitsausfällen führen. Ob daraufhin der grundsätzliche Anspruch eines Arbeitnehmers auf Entgeltfortzahlung für die Dauer von sechs Wochen entfällt, hängt davon ab, ob die Krankheit selbst verschuldet wurde. Zwar lässt sich das oft nur am jeweiligen Einzelfall feststellen, aber ein Urteil des LAG Schleswig-Holstein hat zu dieser Frage eine praxisrelevante Klärung für Arbeitgeber geschaffen.

Worum ging es?

Eine als Pflegehilfskraft beschäftigte Arbeitnehmerin ließ sich ein Tattoo am Unterarm stechen. Infolge der Tätowierung kam es zu einer bakteriellen Hautentzündung, die eine mehrtägige Krankschreibung nach sich zog. Der Arbeitgeber verweigerte die Entgeltfortzahlung mit der Begründung, die Arbeitnehmerin habe das Infektionsrisiko bewusst in Kauf genommen. Die Klägerin argumentierte, mögliche Komplikationen träten nur in ein bis fünf Prozent aller Tätowierungen auf und es handele sich um eine geschützte Form privater Lebensführung.

Wie hat das Gericht entschieden?

Das LAG Schleswig-Holstein entschied, dass kein Anspruch auf Entgeltfortzahlung im Krankheitsfall besteht, wenn die Arbeitsunfähigkeit auf einer bewusst eingegangenen Gesundheitsgefährdung beruht. Die Kammer wertete die Entscheidung zur Tätowierung als einen erheblichen Verstoß gegen „das von einem verständigen Menschen im eigenen Interesse zu erwartende Verhalten“. Da das Infektionsrisiko eines Tattoos keinesfalls fernliegend oder untypisch ist (bis zu 5 Prozent), handelte die Klägerin schuldhaft. Ein schuldhafter Verstoß liegt also vor, wenn ein Arbeitnehmer in besonders leichtfertiger Weise das Risiko eingeht, arbeitsunfähig zu werden. Revision wurde nicht zugelassen.

Das Thema werden wir am 7. Oktober 2025 in unserer Online-Reihe „Mit Recht in den Tag“ näher beleuchten.

Den Einwahl-Link finden Sie im ChemieNord-Intranet unter „Veranstaltungen“ oder können ihn sich auf Anfrage an info@chemienord.de zuschicken lassen. 

Praxishinweise für Arbeitgeber

  • Prüfung von Entgeltfortzahlungsansprüchen: Bei Krankschreibungen nach freiwillig motivierten (nicht medizinisch notwendigen) Eingriffen wie Tattoos, Piercings oder Schönheitsoperationen sollten Arbeitgeber die Thematik einer Eigengefährdung prüfen.
  • Beweislast beachten: Die ordnungsgemäß ausgestellte Arbeitsunfähigkeitsbescheinigung bleibt das zentrale Beweismittel für die Arbeitsunfähigkeit. Dennoch kann, wie etwa in dem oben beschriebenen Fall, ein schuldhaftes Verhalten und damit der Ausschluss des Lohnfortzahlungsanspruchs diskutiert werden.
  • Kommunikation im Betrieb: Arbeitgeber sollten die Belegschaft über die arbeitsrechtlichen Konsequenzen freiwillig eingegangener Gesundheitsrisiken informieren, um spätere Auseinandersetzungen zu vermeiden.
  • Übrigens: Auch eine Sportverletzung kann als verschuldet angesehen worden, wenn der Arbeitnehmer sich diese bei einer sogenannten gefährlichen Sportart zugezogen hat.

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