3. Sozialpartnerveranstaltung zur Digitalisierung im November 2018

Chemische Produktion – Digitale Möglichkeiten

Am 7. November luden der Arbeitgeberverband ChemieNord, der VCI Nord und die IG BCE Nord ihre Mitglieder ein, sich erneut gemeinsam mit dem Thema Digitalisierung auseinanderzusetzen. Dieses Mal auf der Agenda: Digitale Technologien in der Produktion.

Prozessoptimierung mit „HoloLenses“
Den Einstieg machten Christoph Heinen von der Bergolin GmbH & Co. KG und Andreas Erben von dem Softwareunternehmen deanet. Zusammen haben sie bei dem mittelständischen Anbieter von Beschichtungsstoffen Bergolin die HoloLens-Technologie von Microsoft eingeführt. Dabei handelt es sich um eine Brille, wodurch der Nutzer Objekte in einem Raum sieht, die in der Realität nicht da sind (Augmented Reality). Dank der Brille muss ein Produktionsmitarbeiter die Anlagen nun nicht mehr bepackt mit einem Berg an Zetteln bedienen. Sondern er sieht nur diejenige Anweisung, die er gerade zum Bedienen einer Maschine benötigt. Zusätzlich kann er digital und in Echtzeit bestätigen, dass eine Aufgabe erledigt ist oder Messwerte der Maschine erfassen. Diese Technologie könne nicht nur Produktionsprozesse synchronisieren und kontrollierbarer machen, sie biete auch Vorteile zum Schutz der Mitarbeiter, betonte Heinen. „Wir können uns nun durch einen Klick bestätigen lassen, dass der Mitarbeiter die notwendige Schutzkleidung trägt.“ Heinen ist sich sicher: „Die Frage ist nicht, ob diese Technologie in der Industrie Einzug hält, sondern wann.“ Vorab seien aber noch Fragen zu klären. So gäbe es zum Beispiel keine Studien darüber, wie sich der mehrstündige Einsatz von HoloLenses gesundheitlich auswirke. Außerdem sei es wichtig, zusammen mit dem Betriebsrat über die Verwendung der erhobenen Daten zu sprechen. Hinzu komme, dass IT-Unternehmen wie Microsoft ihren Fokus bislang auf andere Branchen wie die Computerspielindustrie legen und nicht auf die Chemie. Deshalb ermunterte Heinen das Publikum, sich für eine chemiespezifische Anwendung zusammenzuschließen. Nur so könne man den Herstellern Anreize dafür liefern, die Technologie für den Einsatz in der Industrie zu optimieren.
 

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Betriebsrat und Mitarbeiter frühzeitig einbinden
Tuelin Ersari von der BASF SE vermittelte einen Überblick über die Digitalisierung in ihrem Unternehmen und präsentierte ihre wichtigsten Erkenntnisse. Sinnvoll sei zum Beispiel ein sogenanntes softwarebasiertes „Digital Cockpit“. Hier werden bei der BASF unternehmensweit alle 200 Digitalisierungsprojekte eingetragen. „Um die Akzeptanz der Digitalisierungsprojekte zu steigern, haben wir Pilotbereiche technisch ausgestattet, ohne dass dadurch für die Abteilungen weitere Kosten entstanden sind“, so Ersari. Außerdem setzten Ersari und ihr Team erfolgreich auf Mundpropanda unter den Produktionsmitarbeitern: „Einfach zeigen, wie’s funktioniert. Wenn man etwas anfassen, fühlen kann, ist das eine viel effektivere Methode als nur über etwas zu berichten.“

Der Weg zum digitalen Schichtbuch
Jörg Fuchs und Gerhard Joeken, Betriebsräte der Olin Blue Cube Germany Assets GmbH & Co. KG, berichteten über den Weg ihres Unternehmens zum digitalen Schichtbuch, das auf der Webapplikation „Shiftconnector“ aufgebaut wurde. Damit einher gingen viele Vorteile: Prioritäten seien klar gekennzeichnet, Inhalte könnten nach (eigenen) Filtern durchsucht werden und auch Produktionsablauf, Instandhaltungsaufgaben und Qualitätssicherung seien durchgängig nachvollziehbar, so ihre Einschätzung. Mit dem Betriebsrat habe Olin zur Einführung des digitalen Schichtbuchs eine neue Rahmenvereinbarung abgeschlossen. Die Vereinbarung enthalte unter anderem eine kurze Beschreibung der Software, erläutere Funktionalität und Zweck und lege fest, welche Daten wo und wie lange gespeichert würden. „Wir haben von niemandem im Werk gehört, dass er mit Shiftconnector nicht zufrieden ist“, so Joeken.
 

Wenn der Vertrieb vor den Kunden weiß, dass sie Hilfe benötigen
Dr. Marcel von der Haar von der Merck KGaA warf einen Blick in die Zukunft beziehungsweise auf das, was zwar bereits Realität ist, für viele aber dennoch nach Zukunft klingt. Merck setze Künstliche Intelligenz (KI) zum Beispiel in der Forschung und Entwicklung sowie Marketing und Sales ein. Ein KI-System sei darauf trainiert worden, automatisch zu erkennen, welches Life Tech Start-Up gerade Unterstützung bei der Prozessentwicklung benötige. „Wenn unser Vertrieb bei einem dieser Unternehmen anruft, sind wir uns nun zu 95 Prozent sicher, dass dieses Unternehmen gerade genau die angebotene Hilfe benötigt“, erklärte von der Haar. Was sich hingegen noch in der experimentellen Phase befände, sei das „Reinforcement Learning“, so von der Haar weiter. Vereinfacht gehe es hierbei darum, dass Software nicht durch Programmierung, sondern durch eigenes Ausprobieren lerne. Ein beispielhaftes Szenario wäre Folgendes: Eine Künstliche Intelligenz erhält Informationen über Moleküle und deren Eigenschaften. Auf dieser Grundlage entwickelt die KI dann ein neues Molekül mit vorab fest definierten Eigenschaften.