"Der strategische Grundstein gegen Fachkräftemangel wird auf Geschäftsführerebene gelegt"

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Stellen sich Unternehmen die Zukunftsfrage, ist diese unmittelbar mit der Frage nach den Fach- und Führungskräften von morgen verknüpft. Doch wo Recruiter in der Vergangenheit aus einer Vielzahl an potenziellen Bewerbern selektierten konnten, bekommen Unternehmen heutzutage den Fachkräftemangel auf allen Ebenen zu spüren.

Der Markt hat sich gewandelt: "Um sich in der Gegenwart für die Zukunft zu rüsten, müssen sich Unternehmen aktiv um den Nachwuchs bemühen", meint Stephan Kraus, Senior Media Consultant bei der Agentur Junges Herz. Dafür sei "Azubi-Marketing als Reaktion auf den Generationswandel ein wichtiger Faktor".

Den Mitgliedsunternehmen von ChemieNord verdeutlichte Kraus kürzlich in einem Vortrag, wie sich Azubi-Marketing erfolgreich aufziehen lässt. Wir sprachen mit ihm über die "Generation Z", die unterschiedlichen Marketing-Kanäle und warum es hilft, seine Azubis mit ins Boot zu holen.

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Herr Kraus: Für Azubi-Marketing muss man sich mit der Zielgruppe befassen. Woher wissen Sie, wie die Generation angesprochen wird, derer Sie selbst nicht angehören?

Aus Agentursicht basiert unser Know-How auf der Erhebung von über 50 Mio. Datensätzen diverser Zielgruppenanalysen, Statistiken und Studien zum Thema Azubi-Marketing. Darüber hinaus spielt auch eine über 30-jährige Agenturerfahrung im Bereich des Schulmarketings eine wichtige Rolle.

In Ihrem Vortrag gehen Sie speziell auf die Generation Z (geboren zwischen 1995-2012) ein. Warum ist es im Vorfeld eines erfolgreichen Azubi-Marketings so wichtig, die Generationenfrage zu stellen?

Jede Generation definiert sich durch bestimmte Verhaltensweisen, Charakteristika und Handlungsmuster. Wie treffe ich die richtige Ansprache, wie generiere ich Aufmerksamkeit potenzieller Azubis, auf welchen Kanälen treffe ich sie an und wie mache ich mir als Unternehmen die speziellen Verhaltensmuster für mein Ausbildungsmarketing zu Nutze?

Als Unternehmen kommt man um diese Analyse nicht herum, damit die daraus abgeleiteten Maßen überhaupt zum Ziel führen.

Klassische Ausbildung trifft auf die Generation Internet. Ist ein Generationenkonflikt überhaupt vermeidbar?

Diesen Konflikt gab es schon immer - da unterscheiden sich die Generationen nicht voneinander. Die Generation Z ist in Ihrem Verhalten vielleicht etwas widersprüchlicher. Sie strebt nach Unabhängigkeit und Selbstverwirklichung, traut sich ohne Absicherung aber nicht wirklich. Dies gilt es zu beachten.

Wäre ein Rundum-sorglos-Paket aus Benefits und Triggern also die richtige Antwort in Stellenbeschreibungen? Beispielsweise "maximale" Flexibilität, ein Job-Ticket für Mobilität und allerhand Weiterbildung?

Ein Rundum-Sorglos-Paket an Benefits und Triggern ist gar nicht notwendig. Vielmehr gilt es, sich die Bedürfnisse und Prioritäten der Generation vor Augen zu führen und zu überlegen: Wie kann ich meine Möglichkeiten mit den Erwartungen der Zielgruppe vereinbaren?

Verdeutlichen wir es am Beispiel von Schichtarbeit: Der jungen Generation ist Flexibilität außerordentlich wichtig. Anstatt die negativen Aspekte in den Vordergrund zu stellen und so eine Abwehrreaktion hervorzurufen, können Unternehmen die Vorteile ausarbeiten – beispielsweise regelmäßig "ausschlafen" während Spät- und Nachtschicht.

Womit startet ein Unternehmen am besten sein Azubi-Marketing?

Die eigenen Prozesse zu analysieren ist der erste Schritt. Welche Maßnahmen habe ich bislang ergriffen, was sind meine Ziele, wie viele Azubis benötigen wir?

Wichtige Erkenntnisse können bereits die eigenen Azubis liefern. Wie sind sie auf mein Unternehmen aufmerksam geworden? Wie empfanden sie den Bewerbungsprozess? Kann ich auf dieser Wissensgrundlage bereits die ersten, selbst gelegten Hürden beseitigen?

Bevor ich Marketing-Budget investiere, muss die Basis stimmen. Schließlich sind Kanäle wie Instagram, Print-Anzeigen oder digitale Messen als Informationsträger nur Mittel zum Zweck. Teure Kampagnen versanden einfach, wenn ich beispielsweise die Eintrittshürde im Anforderungsprofil von Stellenanzeigen unnötig hoch hänge. Studien haben ergeben, dass sich 50 % der potenziellen Azubis nur bewerben, wenn sie alle oder fast alle Kriterien in Stellenanzeigen erfüllen – während über 60 % der Unternehmen gar nicht davon ausgehen, dass alle Kriterien erfüllt werden.

Damit schrecke ich potenzielle Azubis ab, die ich bereits von meinem Unternehmen und der Aufgabe überzeugt hatte.

Gibt es aus Ihrer Sicht "perfekte Startkanäle", um ohne großes Budget und Know-How anzufangen?

Die eigene Karriereseite ist die erste und wichtigste Anlaufstelle im Bewerbungsprozess. Hier setzen sich interessierte Personen detailliert mit der Ausbildung, dem Unternehmen und den eigenen Zukunftsaussichten auseinander.

Soziale Medien oder Stellenbörsen bedienen diesen Informationskanal lediglich – können bspw. das Ziel meiner Stellenausschreibung oder meiner Azubi-Kampagne sein, erzeugen Aufmerksamkeit bzw. generieren Reichweite und verweisen Interessierte auf meine ausführliche Karriereseite weiter.

Damit Kanäle wie Facebook oder Instagram ihren Nutzen ausspielen, müssen diese regelmäßig mit Inhalt befüllt werden. Was sollten Unternehmen dabei beachten?

Zunächst muss man die Erwartungen richtig einschätzen, wenn man die redaktionelle Pflege von Kanälen selbst in die Hand nimmt. Sowohl der zeitliche als auch der personelle Aufwand, um Reichweite innerhalb der eigenen Kanäle aufzubauen, ist enorm. Unternehmen agieren hier im Bereich "Karriere", der mit Unterhaltungs- bzw. Lifestyle-Themen auf sozialen Plattformen konkurriert. Die eigenen Inhalte kämpfen hier gegen ein Überangebot an Themen, die Jugendliche viel stärker interessieren.

Mit geringem Budget empfiehlt sich daher, die Zielgruppe mit gezielter Werbung anzusprechen.

Im Marketing-Kontext wird häufig von Storytelling gesprochen, um Unternehmensinhalte ansprechend zu vermitteln. Hat gut umgesetztes Storytelling, angewendet auf Ausbildungsthemen, eine reelle Chance auf Wahrnehmung?

Sicher. Storytelling kann ich bereits im kleinen Rahmen auf der Karriereseite oder in einer Werbeanzeige umsetzen. Inhalte sollen schließlich darauf abzielen, der Zielgruppe Sachverhalte möglichst interessant, transparent und auf Augenhöhe zu vermitteln. Sich dem Begriff Storytelling auch im Karrierekontext zu Nutze zu machen, birgt daher großen Nutzen. Geschichten über interessante Berufs- und Ausbildungsthemen finden sich praktisch in jedem Unternehmen hinter jeder Ecke.

Auf der Job-Suche wollen junge Erwachsene etwas über das Unternehmen, die Kolleginnen und Kollegen sowie über ihre zukünftigen Arbeitsbedingungen erfahren. Demensprechend sinnvoll sind Einblicke in das eigene Unternehmen – vorausgesetzt, man trifft den Ton der Zielgruppe.

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